9. Februar 2015

Das Kurdenbild in den deutschen Medien


 Von Thomas Morawski/Fernsehjournalist

Die meisten Deutschen dürften noch nie in Kurdistan gewesen sein. Ihr Bild ist vor allem durch die Medien bestimmt, aufbauend auf auch positiven Klischees, Erwartungen und auf Nichtwissen.

Die meisten Deutschen dürften noch nie in Kurdistan gewesen sein. Ihr Bild ist vor allem durch die Medien bestimmt, aufbauend auf auch positiven Klischees, Erwartungen und auf Nichtwissen.

 Die Kurden stehen in den Augen der meisten heute als eher positives Volk da. Dazu hat sicherlich die Stabilisierung im nord-irakischen Autonomiegebiet (KRG) beigetragen. So fand sich jetzt auch kaum eine kritische Stimme, als erstmals deutsche Waffen in ein veritables Kriegsgebiet geschickt wurden, nämlich Bundeswehr-Ausrüstung inklusive Ausbildungspersonal, das Peschmerga-Einheiten betreuen soll.

 Das Kurdenbild in deutschen Medien war schon einmal anders. Bis in die 1990er Jahre hinein hieß das Thema Kurden vor allem: Revolte, Gewalt und PKK. Dieses Bild prägt indirekt immer noch den Mainstream vieler Berichte. Mit den Golfkriegen wurde aber auch in deutschen Medien sichtbar, das Kurden vor allem Opfer waren. Opfer von Giftgasangriffen im Irak, von politischer und polizeilicher Verfolgung in der Türkei. Zudem tauchten immer mehr kurdische Flüchtlinge in Deutschland auf, was immerhin die Chance bot, Menschen selber kennen zulernen und damit ein realeres Bild entstehen zu lassen.

 Das Bild über die Kurden kann man aber nur verstehen, wenn man einen Blick auf die Arbeitsweise der Medien wirft. Denn dieses Bild ist ebenfalls geprägt von Lücken, von Mainstreamberichten („wir schreiben, was alle schreiben“) und von Konfliktberichterstattung oder beidem.

 Es gibt offenbar keine festen Korrespondenten deutscher Medien in Kurdistan. Wohl lokale Mitarbeiter, die über ihre Vermittlung der örtlichen Befindlichkeiten und Fakten durchaus die Medienprodukte prägen, wenn auch nur indirekt. Dabei können auch die Korrespondenten „vor Ort“ selber weit vom tatsächlichen Geschehen entfernt sein, haben sie doch meist mehrere Länder zu betreuen uns sitzen selber irgendwo in einer Hauptstadt, in Bezug auf die Kurden oft in Istanbul. Generell ist festzuhalten, dass diese Hauptstadt-Zentrierung zu einer gewissen Konzentration und Einengung der Macher auf das Regierungshandeln führt.

 So ist in Bezug auf die Kurden die Frage nicht nur, wie das Bild der Kurden aussieht, sondern ob es überhaupt ein Bild gibt, ob sie überhaupt in den Medien vorkommen. Voraussetzung dafür ist, ob die Medien überhaupt ein Interesse an Auslandsberichterstattung haben. Dies ist leider immer häufiger zu verneinen.

 Auslandsberichterstattung ist teuer. Medienpräsenz vor Ort lohnt sich nicht und verursacht nur Unkosten. Außer, es ist „etwas los“! Im Falle von Unruhen, Gewalt und Krieg wird sehr wohl Präsenz gezeigt, meist mit sogenannten „Fallschirm-Korrespondenten“, die extra einfliegen und – leider oft ahnungslos, aus der aktuellen Konfliktlage berichten. Erst recht mit entsprechenden Bildern wird sehr wohl Auflage und Einschaltquote gemacht.

 Damit haben es „Schönwetterberichte“ schwer, etwa aus den boomenden Regionen wie Erbil. Etwas anders sieht es aus, wenn es einen innenpolitischen, deutschen Bezug gibt, etwa deutsches Regierungshandeln oder deutsche Militär Präsenz. Für explizit kurdische Themen bleibt dabei aber die Rolle des Zaungastes übrig.

 In den Premium-Medien, die noch Geld für selbst-recherchierte Berichte ausgeben wollen, sieht es besser aus. Die Tendenz weg von schwierigen Auslandsthemen hin zu regionalen Wohlfühl-Berichten ist aber ähnlich. Natürlich gibt es ausgesprochene Kurden-Fans unter den deutschen Berichterstattern, natürlich schlägt auch hier so manches Herz für bedrohte Minderheiten und Völker, gerne auch mit einer gehörigen Portion Exotik und Romantik verbunden, was von turban-bewehrten Peschmergas wunderbar bedient wird.

 Flaut ein Konflikt aber ab oder wird er zäh, findet sich keine schnelle Lösung (natürlich nicht), oder wird anderswo die sprichwörtliche „neue Sau durchs Dorf getrieben“, dann ist ein Thema von einer auf die andere Minute wieder out. Mit anderen Worten, Kurden finden in den Medien statt, wenn sie entweder alte Vorurteile bedienen: „die werden sich nie einig“; wenn sie – vor allem gewaltsam – protestieren; wenn sie sich zunehmend den dramaturgischen Kriterien der Medien unterwerfen, wenn es Gut und Böse gibt.

 Daher haben die Kurden derzeit ein besonders positives Bild, sie sind gerade einmal die Guten, die den Rest der Welt gegen den „Islamischen Staat“ verteidigen. Aber es kommt sicher wieder der Tag danach, und deutsche Reporter werden frustriert auf ihre Heimatredaktionen einreden, dass man mal wieder was über die Kurden machen sollte…

Thomas Morawski
Thomas Morrawski ist seit seinem 16. Lebensjahr journalistisch tätig, vorwiegend als Reporter. Er studierte Geschichte, Politik, Kommunikationswissenschaft. Seit 1976 ist Thomas Morawski beim BR. Seit 1985 neben der Arbeit in der innenpolitischen Redaktion des Bayerischen Fernsehens immer auch als Reporter/Reisekorrespondent in den Berichtsgebieten des BR unterwegs: Südosteuropa und Nahost, Schwerpunkt Krisen- und Kriegsberichterstattung mit dem Thema Jugoslawien und seinen Krisen seit 1984 befasst.
2001 bis 2009 war er Korrespondent mit Sonderaufgaben für BR/ARD. Seit Februar 2009 ist Thomas Morawski Leiter des ARD-Studios Südosteuropa in Wien.
 Außerdem war Thomas Morawski seit seiner Studienzeit immer als Trainer und Dozent in der Aus- und Fortbildung für Fernsehjournalisten tätig. Er unterrichtete an den Universitäten München, Bamberg und Passau sowie anderen Institutionen, war als Journalisten-Trainer auch in Afrika engagiert (Zambia), ist heute noch Mitglied des Beirates der Politischen Akademie in Tutzing sowie im Bildungs- und Sozialwerk des Bayerischen Journalisten-Verbandes BJV. Nicht zuletzt war er einer der ersten Dozenten an der BAF für das Format Reportage im Fernsehen.

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